Vor 90 Jahren brannte der Reichstag

Ein weiterer Schritt der Nazis in Richtung offene Diktatur

Die Nazis waren gerade vier Wochen an der Macht, als am Abend des 27. Februar 1933 das Reichstags-Gebäude in Flammen stand.

Der Zeitpunkt passte: Der Wahlkampf für die Neuwahl des Reichstags am 5. März war in vollem Gange, trotzdem waren alle NS-Größen gerade in Berlin, Hindenburg saß an dem Abend mit Papen im „Herrenclub in der Voßstraße“1 und sah von dort die Flammen.

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R99859

Am Brandort wurde der Niederländer Marinus van der Lubbe festgenommen, der bei Verhören angab, alleine gehandelt zu haben.

Wenige Stunden nach dem Brand traten Hitler, Göring und weitere NS-Anführer vor Ort auf und verbreiten – völlig unabhängig vom Stand der Ermittlungen – ihre Version des Geschehens:

Göring: „Das ist der Beginn des kommunistischen Aufstandes, sie werden jetzt losschlagen! Es darf keine Minute versäumt werden!“

Hitler: „Es gibt jetzt kein Erbarmen; wer sich uns in den Weg stellt, wird niedergemacht. Das deutsche Volk wird für Milde kein Verständnis haben. Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen, wo er angetroffen wird. Die kommunistischen Abgeordneten müssen noch in dieser Nacht aufgehängt werden. Alles ist festzusetzen, was mit den Kommunisten im Bunde steht. Auch gegen Sozialdemokraten und Reichsbanner gibt es jetzt keine Schonung mehr.“2

Quelle: Reichsgesetzblatt (RBGl) I 1933 p.33, gemeinfrei

Die gesetzliche Grundlage für die Drohungen Hitlers wurden direkt am folgenden Tag geschaffen: Hindenburg erließ die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, die die Grundrechte außer Kraft setzte. Oppositionelle waren der Willkür von Polizei und SA ausgesetzt, es folgte eine Verhaftungswelle, der nicht nur kommunistische Funktionäre, sondern auch SPD-Mitglieder und unabhängige Intellektuelle wie Egon Erwin Kisch und Carl von Ossietzky zum Opfer fielen.

Die Mandate der KPD-Abgeordneten bei der Wahl am 5. März wurden annulliert.

Im Reichstagsbrand-Prozess Ende 1933 versuchte die Anklage nachzuweisen, dass der Brandstifter kommunistische Hintermänner hatte. Drei Bulgaren wurden als Vertreter der Kommunistischen Internationalen verhaftet und mit angeklagt. Weil das Verfahren international große Aufmerksamkeit erregte, wurde ein weitgehend legaler Rahmen eingehalten, am Ende konnte kein Bezug der Kommunisten zum Brand nachgewiesen werden, sie mussten freigesprochen werden. Marinus van der Lubbe wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die Einzeltäterschaft van der Lubbes ist aus heutiger Sicht fraglich. 2019 tauchte eine eidesstattliche Versicherung eines früheren SA-Mitglieds auf. Der Mann erklärte 1955, van der Lubbe zum Reichstag gefahren zu haben. Bereits bei der Ankunft hätten er und ein Kollege Brandgeruch und Rauchschwaden wahrgenommen.3

Fakt ist, dass van der Lubbe stark sehbehindert war und nicht über Ortskenntnisse verfügte. Fakt ist auch, dass es einen unterirdischen Verbindungsgang vom Gebäude des Reichstagspräsidenten (damals Hermann Göring) zum Reichstag gab.

Eine gut lesbare Zusammenfassung der Ereignisse erschien 2013 in der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/politik/80-jahre-reichstagsbrand-demokratie-in-flammen-1.1610890

1Wolfram Pyta, Hindenburg, Siedler-Verlag München 2007, Seite 814

2Zitiert nach Ulrich Thamm, Der Nationalsozialismus, Stuttgart, Reclam, 2002, Seite 119

3 Quelle https://www.sueddeutsche.de/politik/reichstagsbrand-nationalsozialismus-lubbe-1.4541532