Solidarisch gegen Abschiebung

Ende September wurde der achtjährige Shayon Syed Arham aus Nümbrecht mit seiner Familie in der Nacht geweckt und nach Bangladesch abgeschoben. Viele Menschen in der Gemeinde sind empört, der Fußballverein, in dem der Junge kickte, und sein Schulklasse organisieren Solidaritätsaktionen. Am Mittwoch, 20.10.2021, hat die terre-des-hommes-Gruppe Oberberg zu einer gut besuchten Mahnwache aufgerufen. Die Forderungen der RednerInnen (Anne Versaevel-Keller für terre des hommes, Peter Hahner, der die Familie unterstützt, Rainer Förster vom SSV Nümbrecht und Gerhard Jenders von „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun) waren klar: Shayon und seine Familie müssen wieder zurück nach Nümbrecht!

Hier der Redebeitrag von „Unser Oberberg ist bunt, nicht braun!“:

Ich möchte beginnen mit einem Zitat:

„Es war ein schreckliches Erlebnis, dort in dem prächtigen Saal zu sitzen und zuzusehen, wie die Delegierten sich nacheinander erhoben und erklärten, sie hätten gern eine beträchtliche Zahl von Flüchtlingen aufgenommen, seien jedoch dazu bedauerlicherweise nicht imstande. Nur wer ähnliches durchgemacht hat, kann verstehen, welche Gefühle mich erfüllten – eine Mischung aus Kummer, Wut, Frustration und Grauen.

Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte geschrien: ‚Wisst ihr nicht, dass diese »Nummern und Zahlen« menschliche Wesen sind, die vielleicht den Rest ihres Lebens in Lagern verbringen oder in der Welt herumziehen müssen wie Aussätzige, wenn ihr sie nicht aufnehmt?’“

Dieser Aufschrei spricht vielleicht vielen von uns aus dem Herzen. Er ist aber nicht neu, das Zitat stammt aus den Erinnerungen von Golda Meir, die 1938 als Beobachterin an der Konferenz von Evian teilnahm. Dort wurde verhandelt, ob und wie viele jüdische Flüchtlinge aus Deutschland von anderen Ländern aufgenommen werden könnten. Menschen auf der Flucht begegneten auch damals die Regierungen mit Kälte und Ablehnung.

Aber es gab Menschen aus allen Schichten und Religionszugehörigkeiten, die ihren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Schutz gewährten und sie so gerettet haben.

Als dann vor 72 Jahren das Grundgesetz formuliert wurde, zog man die Konsequenz aus den Erfahrungen der Verfolgten und schrieb das Asylrecht an prominenter Stelle hinein: „Politisch verfolgte genießen Asylrecht.“ Punkt. So klar stand es bis 1993 in Artikel 16 des Grundgesetzes, danach wurde dieses Recht mehr und mehr ausgehöhlt. Immer neue Paragrafen machen es Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung, vor Hunger und Elend sind, fast unmöglich, in Deutschland Sicherheit zu finden. Insbesondere die abstruse Drittstaaten-Regelung: Sie fordert, dass die Staaten, in denen Flüchtende zuerst EU-Boden betreten, für das Asyl zuständig sind. Angesichts der geografischen Lage hat sich Deutschland damit aus der Verantwortung gestohlen und sie auf die Nachbarstaaten abgewälzt.

So lässt sich im Fluchtweg fast jedes Menschen, der bei uns um Asyl bittet, ein Punkt finden, der es ermöglicht, den Antrag abzulehnen. Warum wurden die Gesetze so eingerichtet? Gibt oder gab es einen dringenden Handlungsbedarf? Nein. Die Gesetzgeber haben immer wieder dem Druck rechter und rechtsextremer Kreise nachgegeben, weil sie Sorge hatten, deren Stimmen bei der nächsten Wahl zu verlieren. So ist es heute möglich, dass eine Nümbrechter Familie, die gut in die Nachbarschaft integriert ist, für „ausreisepflichtig“ zu erklären. Mag sein, dass das nach dem Buchstaben des Gesetzes korrekt ist – aber: Ist es menschlich? Ist es gerecht? Ist es verhältnismäßig, die Familie bei Nacht zu überfallen und wegzubringen? Ist mit der Abschiebe-Aktion der Gemeinde Nümbrecht geholfen? Ist dem Kreis, dem Land geholfen? Alle diese Fragen kann ein vernünftig denkender Mensch nur mit Nein beantworten.

Wir können über die Motive der Behörden, die Abschiebung durchzusetzen, nur spekulieren. Gefragt haben sie meines Wissens niemanden, der die Familie und ihr Umfeld wirklich kennt. Sie haben einfach das durchgezogen, wozu sie die Macht haben, ohne die Menschen hinter den Zahlen zu sehen. Es ist deshalb richtig, dass wir heute hier gemeinsam „aufspringen und schreien“ – um noch einmal Golda Meir zu zitieren. Wenn eine solche Unmenschlichkeit, wie sie der Familie von Shayon widerfahren ist, nach „Recht und Gesetz“ erfolgt ist, dann wird es höchste Zeit, die Gesetze so zu ändern, dass sie dem Charakter der im Grundgesetz und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegten Prinzipien entsprechen.

Deshalb fordern wir:

Holt Shayon und seine Familie zurück! Sie sind hier zu Hause!

Ändert die Asyl-Gesetzgebung so, dass sie dem Charakter unseres Grundgesetzes entspricht und im Einklang mit den Menschenrechten steht!

Zur Unterstützung der Familie hat der SSV Nümbrecht ein Spendenkonto eingerichtet:

(Screenshot von www.ssv-nuembrecht.de)

Hier der Bericht von Oberberg-Aktuell

Hier der Redetext von terre-des-hommes:

Liebe Freund*innen, meine Damen und Herren,

zuerst einmal darf ich mich für ihr Kommen bedanken. Ich bin sehr froh, dass wir heute Abend so zahlreich sind. So zahlreich,um Solidarität mit Shayon und seiner Familie zu zeigen. Nicht nur Solidarität, sondern auch Mitgefühl mit der Familie, die aus ihrem Leben gerissen wurde.

Leider nicht zum ersten Mal. Die Greul der Flucht mit oft unmenschlichen Umständen ist für die meisten von uns unvorstellbar. Die Familie von Shayon musste eine solche Flucht auf sich nehmen. Damit wurden alle, besonders die Kinder aus dem gewohnten Umfeld gerissen.

 Nach Jahren der Flucht ist dann die Familie in Nümbrecht angekommen. Das Leben wurde wieder etwas normaler. Freunde, Nachbarn kümmerten sich um die Geflüchteten.

Die Kinder fassten wieder Vertrauen und wurden von allen akzeptiert. Die so oft eingeforderte Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft wurde für die Familie, insbesondere für Shayon, schöne Realität.

 Dann schlug aber der Rechtsstaat mit seiner vollen Härte zu. Verstehen sie mich bitte nicht falsch. Ich persönlich glaube an den Rechtsstaat, nur ein gerechter Staat ist in der Lage unser Zusammenleben gerecht und menschlich zu organisieren.

 Aber genau das ist die Frage: Wo bleibt die Menschlichkeit? Ist es gerecht, Menschen wieder in Verzweiflung zu stürzen?  Ist es gerecht eine Familie, die im Begriff war ein Aktivposten unserer Gesellschaft zu werden, abzuschieben?

 Wir alle, die heute Abend hier sind, vermissen diese Familie in unserer Mitte!

Wir fordern daher, dass es Shayon und seiner Familie wieder ermöglicht wird zurückzukehren und ihnen die Möglichkeit gegeben wird ihr Leben selbstbestimmt in der Mitte unserer Gesellschaft zu führen.

 Auf der einen Seite ist das Schicksal dieser uns bekannten Familie. Es gibt aber unzählige dieser Schicksale. Verursacht durch die viel zu restriktive Anwendung unseres Asylrechts. Daher fordern wir auch heute Abend die vernünftige Umsetzung unseres Asylrechts. Wir fordern Korridore für die Flüchtenden, damit Sie nicht an den Grenzen durch Schlägertrupps abgewiesen werden. Damit nicht mit ihrem Leid die Schlepperorganisationen Geld verdienen.

Damit sie nicht in den Durchgangsländern versklavt werden.

Wir von terre des hommes fordern Gerechtigkeit ein, vor allen Dingen für die Schwächsten unserer Gesellschaft, dazu gehören leider immer noch die Kinder.

Vielen Dank für Ihr Kommen und richten Sie auch ihre persönlichen Appelle an unsere Bundestagsabgeordneten Carsten Brodesser und Sabine Grützmacher.

Fordern Sie sie auf, sich um das Schicksal von Shayon seiner zu kümmern.