Gedenkort auf dem Friedhof Frielingsdorf

Auf dem Friedhof in Frielingsdorf befindet sich eine Gedenkstätte für die Toten eines Bombenangriffs auf die Firma Schmidt & Clemens in Kaiserau, „13 ausländische Zwangsarbeiter und 5 deutsche Aufseher“.

Wir haben hier Informationen zu den Menschen zusammengestellt, die als ZwangsarbeiterInnen bei S&C gearbeitet haben. Die Wachmannschaften gehören in unseren Augen zu einer anderen Gruppe, ihrer gemeinsam mit den Opfern zu gedenken, erscheint uns nicht angemessen.

Die Gefangenen waren im Lager „Unter-Würden“ in Kaiserau, gegenüber der Fabrik Schmidt & Clemens, untergebracht. Der Ort des Lagers ist in einem „Situationsplan des Stahlwerks Schmidt und Clemens“ aus dem Jahr 1943 eingezeichnet:

Situationsplan des Stahlwerks Schmidt und Clemens 1943, Kreisarchiv Rheinisch-Bergischer Kreis, Bestand:45 (Landrat), A 1

(Ausschnitt aus „KRBK_Best_45_A_1_Stahlwerk_Schmidt_Clemens.jpg“ mit freundlicher Genehmigung des Kreisarchivs des Rheinisch-Bergischen Kreises)

Man erkennt im Gelände noch die eingeebnete Fläche, auf der die Baracken standen. Stellenweise findet man Betonstücke von den Fundamenten, auffällig sind zwei Bunker, die vielleicht zu Schutz der Wachmannschaften dienten (Bilder anklicken für vergrößerte Ansicht).

Harry Binnendijk war Niederländer, geboren am 15.Juni 1922 in Rotterdam (laut Sterbeurkunde am 15. Juli1922). Er war interniert in dem KZ „Polizeiliches Durchgangslager Amersfoort“ (Quelle1 Quelle2), bevor er im Dezember 1943 über Köln ins Oberbergische ins Lager Unter-Würden der Firma Schmidt und Clemens deportiert wurde. Wie lange er in Amerfoort gefangen war, geht nicht aus den Unterlagen hervor. Die, dass er seit 1941 in der „Nord-Rhein-Provinz“ war, scheint Angabe der Gemeinde Gimborn aber falsch zu sein. Harry Binnendijk war 22 Jahre alte geworden.

Albert Everaert war Belgier, er war am 6.Januar 1916 in Duffel bei Antwerpen geboren. Er war also 29 Jahre alt, als er bei dem Bombenangriff auf die Fabrik ums Leben kam. Seit wann er bei S&C gearbeitet hat, geht aus den uns zugänglichen Unterlagen nicht hervor. Es ist aber ein Arbeitsunfall am 19. August 1944 dokumentiert, also war er spätestens seit 1944 Zwangsarbeiter; wahrscheinlich war er Kriegsgefangener. Laut Sterbeurkunde hinterließ er eine Ehefrau.

Cyriel Marcel Everaert war wie Albert Everaert in Duffel geboren, am 4 Juni 1921. Ob die beiden verwandt waren, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Nach einer Liste der Gemeinde Gimborn war er seit etwa 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“ als Zwangsarbeiter oder als Kriegsgefangener. Die Sterbeurkunde bestätigt seinen Tod beim Luftangriff auf das Stahlwerk im Alter vom nicht ganz 23 Jahren

Georges Gaubour war Franzose, geboren am 17. November 1907 in Dieppe. Bei ihm gibt die Sterbeurkunde den Beruf „Maschinenformer“ an, er war also als Fachkraft im Stahlwerk. Auch er war nach Angaben der Gemeinde schon seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“, das lässt darauf schließen, dass er als Kriegsgefangener kam. Er war 37 Jahre alt geworden.

Augustin Jacobs, der dritte Belgier aus Duffel, war am 22.12.1920 geboren. Auch er war nach Angaben der Gemeinde seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“. Möglich ist, dass die deutschen Besatzungsmacht die Männer aus Duffel gemeinsam zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt hat, nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung waren 440.000 Menschen aus Belgien zur Zwangsarbeit in Deutschland. Augustin Jacobs war 24 Jahre alt, als er beim Luftangriff getötet wurde (Sterbeurkunde).

Jan de Keersmaeker war ebenfalls Belgier, geboren am 31.12.1901 in Blaesveld im Kreis Antwerpen. In der Sterbeurkunde wird er als „Monteur“ und „Zivilarbeiter“ bezeichnet, nach einer Liste der Gemeinde Gimborn war er seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“. Auf Grund seines Geburtsdatums wird er 1939/40 Soldat gewesen sein und dann beim Einmarsch der Nazi-Truppen nach Belgien in Kriegsgefangenschaft gekommen sein. Die NS-Behörden haben viele Kriegsgefangene in den Status der „Zivilarbeiter“ versetzt, weil die dann nicht mehr unter dem Schutz der Genfer Konvention standen.

Roman Klar war Pole, er war am 12.8.1888 in Kanocunica („Kanicunica“ laut Sterbeurkunde) geboren. Nach Angaben der Gemeinde Gimborn war er seit etwa 1940 in der „Nord-Rheinprovinz“, er müsste also beim Überfall der Deutschen auf Polen (ab 1. September 1939) in Kriegsgefangenschaft geraten und dann hier zur Zwangsarbeit interniert worden sein. Er hat bei Schmidt & Clemes als „Former“ Gussformen hergestellt. Ein Eintrag in einer Liste des Krankenhauses Wipperfürth wirft ein Licht auf die Bedingungen, unter denen die Zwangsarbeiter lebten: Roman Klar war Mitte November bis Anfang Dezember 1944 dort mit einer Phlegmone in Behandlung. Das ist eine Entzündung, die nach Verletzungen auftritt – besonders häufig bei Patienten mit geschwächtem Abwehrsystem

Banislaw Pluskota (Vorname laut eigener Unterschrift Bronislaw) war laut Sterbeurkunde geboren am 19.November 1914 in Chojna / Kreis Posen (heute Poznan) in Polen. Bevor er zu Schmidt und Clemens zur Zwangsarbeit kam, war er in Roubaix in Nordfrankreich interniert (Roubaix war zur Zeit der deutschen Besatzung ein wichtiges Zentrum der Résistance, entsprechend stark war die Unterdrückung durch die Nazis, es gab dort auch Lager). Im Arolsen-Archiv sind einige Dokumente einzusehen, die belegen, dass Bronislaw Pluskota in Roubaix interniert war und von dort zur Zwangsarbeit hierher kam. In einer „Empfangsbestätigung“, die im November 1943 ausgestellt wurde, wird sein Ziel Berghausen angegeben, wo er am 10. Februar 1944 wohl angekommen ist. Dass in der Liste der Gemeinde Gimborn steht, er sei wie die anderen Polen seit etwa 1940 in der „Nord-Rheinprovinz“, weckt Zweifel an der Zuverlässigkeit der damaligen Unterlagen.

Mario Rabolt war noch sehr jung. Laut Sterbeurkunde war er am 24.6.1929 in Senones (in den Vogesen) geboren, er war also bei seinem Tod noch nicht einmal 16 Jahre alt. Nach Angaben der Gemeinde war er seit etwa 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“ – das ist unwahrscheinlich, denn dann wäre er schon mit 12 Jahren zur Zwangsarbeit in Deutschland gewesen.

Max Trzcinski war Pole. Auch von ihm haben wir nur die Liste der Gemeinde und die Sterbeurkunde gefunden: Er wurde am 5. November 1907 in Slotoria / Kreis Torun in Polen geboren, war also 37 Jahre alt, als er bei dem Bombenangriff auf S&C ums Leben kam. Wahrscheinlich war er Kriegsgefangener. Weil die Beschäftigung Kriegsgefangener in der Rüstungsindustrie (S&C lieferte damals auch Bauteile für die Rüstung) gegen die Genfer Konvention verstieß, wurde sein Status wohl in „Zivilarbeiter“ umgewandelt.

Marius Nay war Franzose, geboren am 10. Mai 1920 in Paris (laut Sterbeurkunde). Ob bei ihm die Angabe der Gemeinde zutrifft, dass er seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“ war, lässt sich nicht feststellen. Auf jeden Fall war er schon 1943 bei Schmidt & Clemens, denn am 6. September 1943 wird gemeldet, dass er an diesem Tag dort einen Unfall erlitten hatte. Bei seinem Tod am 13. März 1945 war er 24 Jahre alt.

Marie Nobels war eine junge Frau aus Belgien, geboren als Marie de Nys am 31.Oktober 1922 in Belsele (in der Nähe von Antwerpen). Sie war verheiratet mit Oskar Nobels und wohnte mit ihm in Sinaai, einem Dorf ganz in der Nähe ihres Geburtsortes. (Angaben aus der Sterbeurkunde). Nach der Liste der Gemeinde war sie schon seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“. Sie konnte nicht in ihre Heimat zurückkehren, denn am 13. März 1945 starb sie im Alter von 22 Jahren.

Camille Pierron hat bei Schmidt und Clemens als „Handformer“ gearbeitet, er hat also die Formen für spezielle Gussteile hergestellt. Laut Sterbeurkunde war er am 16.August 1920 in Donchery in den Ardennen geboren. Seit wann er in Unterwürden interniert war und bei S&C gearbeitet hatte, ist nicht klar, die Gemeinde schreibt pauschal: seit 1941 in der „Nord-Rheinprovinz“. Er war bei seinem Tod 24 Jahre alt.

In den Listen der Archive tauchen noch weitere Namen auf, die nicht in der Gedenkstätte aufgeführt sind, weil sie nicht bei dem Bombenangriff ums Leben kamen:

Alexander Tschaska ist laut einer Grabanzeige am 30. November 1944 auf dem Friedhof Frielingsdorf beerdigt worden. Er war auch im Lager Unterwürden (s.o.) interniert. Eine Grabstelle ist nicht angegeben, Geburtsdatum und Geburtsort fehlen auch. Die Gemeinde Lindlar schreibt in einem undatierten Dokument aus der Nachkriegszeit, Alexander Tschaska sei „wegen Diebstahl erschossen“ worden. Willkürliche Hinrichtungen durch die Wachmannschaften oder die Gestapo ohne Gerichtsverfahren waren eine ständige Gefahr, der sowjetische Kriegsgefangene ausgesetzt waren.

Anatolij Fedossenko war ein kleiner Junge, der im Alter von knapp fünf Jahren ums Leben kam. Geboren war er am 13. August 1939 in Andrejewka im Bezirk Charkow in Russland. Nach der Sterbeurkunde waren seine Eltern in Kaiserau „wohnhaft“, sie werden ihren Sohn mitgenommen haben, als sie nach Deutschland zur Zwangsarbeit mussten. Aus den Angaben der AOK Gummersbach geht hervor, dass beide Eltern ab dem 1. Juli 1944 bei der Firma Gebr. Höver in Kaiserau gearbeitet haben, diese hatte dort auch ein eigenes Lager (Nummer 4 in der Liste der Lager in der Gemeinde Lindlar). Nach einer Liste der Gemeinde Gimborn ist Anatolij am 2. August 1944 in Kaiserau bei einem „Autounfall“ zu Tode gekommen, die Sterbeurkunde präzisiert, dass er von einem Lastkraftwagen überfahren wurde.

Danuta Lonsky war am 24. Oktober 1942 zu Hause, in Kretschoty im Kreis Baranowitschi in Belarus geboren. Sie ist dann mit ihren Eltern, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland mussten, im Lager Niederhabbach gewesen. Dort ist sie im Alter von nicht einmal zwei Jahren am 5. Juni 1944 gestorben (Sterbeurkunde). Wahrscheinlich haben ihre Eltern Sofia und Konstantin Lonsky wie die meisten in Niederhabbach Internierten bei Schmidt & Clemens in Kaiserau arbeiten müssen – die Unterlagen der Firma sind nicht zugänglich.

Alla Golup (oder „Colup“, es tauchen beide Schreibweisen auf) ist einen Tag nach ihrem ersten Geburtstag gestorben. Geboren war sie am 5. November 1942 laut Sterbeurkunde in „Tscherscoty“. Als ihre Eltern Amila und Jan Golup nach Deutschland verschleppt wurden, hat sie ihre Eltern in Lager Niederhabbach begleitet, dort ist sie am 6. November 1943 gestorben und in Frielingsdorf begraben worden. Auch ihre Eltern haben höchstwahrscheinlich bei Schmidt & Clemens in Kaiserau arbeiten müssen

Bei der Gedenkstätte steht auf einer Tafel:

„Hier ruhen fünf während des Kriegs verstorbene russische Bürger“

Namen sind nicht angegeben – vielleicht sind dies vier von ihnen.

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