Text der Gedenktafel auf dem Friedhof Kreuzberg

Autor des Textes und Recherchen: Ulrich Bürger

Zwangsarbeitergräberfeld

Das sogenannte Dritte Reich und der durch das Hitler-Regime ausgelöste Zweite Weltkrieg haben Tod und Trauer, Leid und Elend über weite Teile der Welt und insbesondere über ganz Europa gebracht. Durch das menschenverachtende System der Nationalsozialisten sind Millionen von Menschen ihrer Würde beraubt, geknechtet, missbraucht und getötet worden. Es gilt, die Erinnerung an die damalige Zeit wach zu halten und frühzeitig falschen Entwicklungen in der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Die Mahnmale für die gefallenen und vermissten Soldaten und Zivilopfer an der Westfalenstraße, in Wasserfuhr und auf Dörpinghausen erinnern in unserer Region an Krieg und Gewalt. Der Erschießungsplatz im ehemaligen Steinbruch Kupferberg, auf dem als fahnenflüchtig beschuldigte deutsche Soldaten ermordet wurden, darf nicht in Vergessenheit geraten. Und dieses Gräberfeld, auf dem ausländische Zwangsarbeiter ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist ein mahnendes Zeichen dafür, welche Folgen eine Gewaltherrschaft hat. Es ist für uns heute gleichzeitig ein Auftrag, uns dauerhaft für eine Verständigung zwischen den Völkern einzusetzen.

Das Gräberfeld wurde in den 5oer Jahren angelegt. Die Verstorbenen waren vorher an unterschiedlichen Stellen auf dem gesamten Friedhof beigesetzt und sind später nach hier umgebettet worden. Hier ruhen russische und polnische Zwangsarbeiter und ihre Kinder. Die einzelnen Grabsteine liegen nicht mehr am ursprünglichen Bestattungsort. Sie sind zu einem späteren Zeitpunkt anders angeordnet worden. Auf dem Obelisken in der Mitte des Gräberfeldes steht in deutscher Sprache jedoch in kyrillischen Buchstaben geschrieben: Hier ruhen 10 im Kriege 1941 – 1945 verstorbene russische Bürger. Der Text kann sich auf 10 der bekannten 12 Einzelgräber beziehen. Man geht jedoch davon aus, dass 10 weitere verstorbene unbekannte russische Zwangsarbeiter ebenfalls hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Verstorbene italienische Zwangsarbeiter sind später über Hamburg in ihre Heimat überführt worden. Einer dieser italienischen Zwangsarbeiter in Kupferberg war wohl ENRICO MAGGIO, *12.9.1922, + 9.8.1945 in Kupferberg.

Die Kupfererzgrube Danielszug in Kupferberg wurde im April 1938 wieder geöffnet. Auf dem traurigen Höhepunkt des Zwangsarbeitereinsatzes mussten hier 341 Zwangsarbeiter (67 Italiener, 180 Russen, 94 Polen) unter schwierigsten Bedingungen arbeiten. Untergebracht waren sie in einem Barackenlager am heutigen Weidenweg (Russen, Italiener), im ehemaligen Zimmermann-Hof (dem später so genannten Polenhaus) in Kupferberg und im Saal (ehemals Turnhalle) der Gaststätte Koppelberg in Wasserfuhr (Russen/Ukrainer, Polen).

Weitere Zwangsarbeiter waren ebenfalls eingesetzt zur Verlegung der Gasleitung für die Ruhrgas AG (3 Italiener, 3 Russen, 3 Polen). Sie waren in einem Barackenlager am heutigen Schevelinger Weg untergebracht.

Viele Zwangsarbeiter waren auch auf verschiedenen Bauernhöfen im Bereich Kreuzberg/Kupferberg eingesetzt.

Die Verstorbenen gehörten bis auf 2 Ausnahmen alle zur Grube Danielszug. Sie sind zum Teil durch Unglücke in der Grube ums Leben gekommen.

Die 12 Einzelgrabsteine tragen folgende Inschriften (Ergänzungen und Korrekturen in Klammern):

WLADIMIER ORLOW, UDSSR, *29.4.1926, + 21.4.1943 (Wladimir Orlow, Lager Kupferberg)

ANATOLY KUSCHNIER, UDSSR, *15.11.1923, + 8.1.1944 (Lager Kupferberg)

WASIL WENZ, UDSSR, *22.4.1920, + 7.6.1943 (Ukraine, Lager Wasserfuhr)

STANISLAUS WENELAWEK, POLEN (Stanislaus Wenslawek, *20.4.1899, + 18.6.1944, Kupferberg)

LEO KOTENKO, UDSSR (+ 27.5.1945, Kupferberg)

NUECZYSLAW SALOMON, UDSSR, *30.12.1923, + 30.4.1942 (Mieczyslaw o. Mieczyslaus Salomon o. Salamon, Polen, Grube Danielszug)

ALEXI SAPAROSCHEW, UDSSR, * 10.9.1924, + 29.4.1944 (Lager Kupferberg)

LEO ZURECKI, UDSSR

LYDIA SASANOW, UDSSR, * 28.11.1943, * 3.1.1944 (Kind, Lager Kupferberg/Wasserfuhr)

ALEXI PLITUIOW, UDSSR, * 17.8.1925, + 8.1.1945 (Alexi Plitniow, Lager Kreuzberg)

VALENTIN DECHTEROW, UDSSR, * 26.3.1944, + 3.4.1944 (Kind, Lager Kupferberg)

NICOLY CELIMOW, POLEN

Als Zwangsarbeiter aus dem Lager Kupferberg ist ebenfalls verstorben:

NICOLAI ALEMOV, UDSSR, * 6.5.1926, + 25.12.1943.

Verstorben ist ferner der Landarbeiter aus Kreuzberg

NICOLAY TARASZUK, UDSSR, * 6.12.1922, + 22.4.1945.

Wo beide bestattet worden sind, evtl. auf diesem Platz, ist nicht bekannt.

Der damalige Pfarrer der Kath. Pfarrgemeinde Kreuzberg, Heinrich Engel, hat die verstorbenen polnischen Zwangsarbeiter offenbar zur letzten Ruhe begleitet. Er hat sie ins Sterberegister der Kirchengemeinde eingetragen. Bei weiteren dort eingetragenen folgenden Verstorbenen scheint es sich ebenfalls um Zwangsarbeiter gehandelt zu haben:

AUGUST BUCHALIK, POLEN, * 13.7.1910, + 18.5.1941 (Grube Danielszug)

HENRICUS HELIOSCH, POLEN, * 22.2.1943, + 29.2.1944 (Kind)

LEO JOROZYK (JURZIK), Polen, * 28.10.1896, + 24.4.1945.

Sie werden auf dem Kreuzberger Friedhof bestattet worden sein. Ob sie später ebenfalls auf dieses Gräberfeld umgebettet worden sind, ist nicht bekannt.

Mögen wir die Namen der hier verstorbenen Zwangsarbeiter und ihrer Kinder nicht vergessen. Gedenken wir der unbekannten Zwangsarbeiter, die hier oder auf anderen Friedhöfen bestattet worden sind. Hoffen wir, dass es in der Zukunft nicht mehr zu Auseinandersetzungen kommt, durch die Menschen ihren Familien entrissen werden, um fern der Heimat in fremden Ländern als Zwangsarbeiter arbeiten zu müssen. Und hoffen wir gemeinsam auf ein Leben in Frieden für alle Menschen auf dieser Erde.

Kreuzberg im Dezember 2017