Mölln 1992

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Vor 30 Jahren, am 23. November 1992, verübten Neonazis in Mölln rassistisch motivierte Brandanschläge gegen zwei Häuser, in den türkischstämmige Mitbürger*innen wohnten. Dabei starben die 51-jährige Bahide Arslan, ihre zehnjährige Enkelin Yeliz und deren 14-jährige Cousine Ayşe Yılmaz. Weitere neun Menschen wurden schwer verletzt.

Auf der wikipedia-Seite „Mordanschlag von Mölln“ werden die Ereignisse der Nacht geschildert:

Die Anschläge wurden von den Neonazis Michael Peters und Lars Christiansen verübt. Sie warfen zunächst gegen 0:30 Uhr zwei Molotowcocktails in das Obergeschoss eines zweistöckigen Fachwerkhauses mit 32 türkischstämmigen Bewohnern in der Ratzeburger Straße 13. Alle Bewohner konnten sich vor dem ausbrechenden Feuer retten, zum Teil, indem sie aus den Fenstern sprangen oder sich mit Betttüchern abseilten. Dabei gab es mehrere Verletzte. Die Täter riefen unmittelbar anschließend anonym bei der Polizei in Mölln an und erklärten: „In der Ratzeburger Straße brennt ein Haus! Heil Hitler!“ Danach warfen sie kurz nach 1 Uhr einen Molotowcocktail in den Eingangsbereich des Hauses Mühlenstraße 9, eines von der türkischen Familie Arslan bewohnten dreigeschossigen Backsteinbaus. Auch hier gab es kurz darauf einen anonymen Anruf bei der Freiwilligen Feuerwehr Mölln mit den Worten: „In der Mühlenstraße brennt es! Heil Hitler!“ Durch den Kamineffekt im hölzernen Treppenhaus breitete sich das Feuer sehr schnell aus, so dass es keine Fluchtmöglichkeit mehr über die Treppe gab. Die beiden Mädchen Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz sowie ihre Großmutter Bahide Arslan kamen in den Flammen um; weitere Familienmitglieder wurden beim Sprung aus den Fenstern schwer verletzt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mordanschlag_von_M%C3%B6lln

Ibrahim Arslan, der zum Zeitpunkt des Verbrechens 7 Jahre alt war, überlebte durch die Fürsorge seiner Großmutter Bahide Arslan. In einem Gespräch mit dem NDR (unbedingt lesen bzw. anhören!) schildert er die Umstände:

„Sie hatte mich in nasse Tücher gewickelt und in die Küche gebracht. Beim Versuch, meine Schwester und meine Cousine zu retten, ist sie selbst ums Leben gekommen. Die Feuerwehrleute haben berichtet, dass sie verbrannt ist. Meine Schwester und meine Cousine sind durch Rauchvergiftung gestorben.“

https://www.ndr.de/kultur/Brandanschlag-von-Moelln-Es-gibt-kein-Vertrauen-in-Staat,arslan154.html?fbclid=IwAR33KGYZ_lPkSRfG9jYNIfYar_cHjW8oSmYqZrlFUjZwz3EfWaGTVibkWZI

Ein Skandal ist, dass die Stadt Solidaritätsschreiben und Beileidsbekundungen an die Hinterbleibenen nicht weitergegeben hat. Ibrahim Arslan:

„Bundesweit haben uns Menschen geschrieben, auch aus dem Ausland, aus den Niederlanden, Amerika, selbst aus der Türkei. Diese Briefe wurden zunächst durch die Stadtverwaltung gesammelt und später dem Stadtarchiv übergeben. Erst 27 Jahre später habe ich durch einen Zufall diese Briefe dort entdeckt. Es gab in den Briefen neben Solidaritätsbekundungen auch Vernetzungsangebote von Shoah-Überlebenden. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Wir haben 20 Jahre lang versucht, Betroffene zu vernetzen. Direkt nach dem Anschlag hätten wir mit den Briefen die Möglichkeit zur Vernetzung gehabt. Und selbst das wurde uns nicht gewährt.“

https://www.ndr.de/kultur/Brandanschlag-von-Moelln-Es-gibt-kein-Vertrauen-in-Staat,arslan154.html?fbclid=IwAR33KGYZ_lPkSRfG9jYNIfY

Der Anschlag fand statt in einem Klima der „Asyldebatte“, die in einer Aushöhlung des im Grundgesetz verankerten Rechts auf Asyl mündete. Nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen Ende August 1992 verkündete der damalige Bundesinnenminister Seiters Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen haben…“ Nicht gegen die Täter sollte vorgegangen werden, sondern den Opfern wurde die Schuld gegeben.

Mitte Oktober 1992 spricht sich der Bundestag mit den Stimmen der Koalition aus CDU/CSU und FDP für eine Änderung des Asylartikels im Grundgesetz aus. Am 17. November 1992 verabschieden dann die SPD-Delegierten auf einem Sonderparteitag in Bonn Grundsatzbeschlüsse zur Änderung des Asylrechts.

Und wenige Tage nach dem 23. November 1992 weigert sich der damalige Bundeskanzler Kohl, an der Trauerfeier für die Opfer teilzunehmen: Die Bundesregierung wolle nicht in „Beileidstourismus“ verfallen.

Die Morde von 1992 und der Umgang mit ihnen zeigen: Wir, die Zivilgesellschaft, sind gefordert, um unseren Staat demokratisch, solidarisch und vielfältig zu gestalten und zu erhalten. Jede und jeder kann (und muss!) bereit sein, dem Alltagsrassismus entgegen zu treten und gemeinsam mit allen Mitbürger*innen unsere Gesellschaft lebenswert zu gestalten. Das gebietet der Anstand!